Kleinkinder sind schon sehr früh bestrebt ihr Können einzubringen - dies zeigt uns besonders die Autonomiephase - die Kinder entwickeln für sich selbst einen Selbstgestaltungsanspruch, der keinesfalls unterbunden werden sollte. Es ist entwicklungsfördernder Gelegenheiten zu ermöglichen, um sie aktiv zu beteiligen, denn sie wollen ihre eigenen Fähigkeiten erkunden!
Wickeln
Kinder sollten niemals einfach hochgehoben werden, am Po angerochen werden mit der Frage: „Wer hat hier gek***“. Dieses Verhalten ist extrem übergriffig und leider sehr, sehr verbreitet. Stellen Sie sich immer die Frage, ob Sie das mit einem Erwachsenen machen würden und wie es Ihnen dabei ginge, wenn das jemand mit Ihnen machen würde.
Kinder sollten liebevoll gefragt werden, ob es sein kann, dass die Windel voll ist: „Ich glaube es ist Zeit für eine neue Windel“ und ob sie mitkommen, um einmal nachzuschauen. Es sollte dabei immer aud die Reaktion des Kindes gewartet werden. So merkt das Kind, dass es nicht ausgeliefert ist. Es ist kein Objekt, das einfach genommen wird, sondern ein kleiner Mensch, auf den dialogisch reagiert wird und dervolle Aufmerksamkeit erfährt. In einer Wickelsituation gibt es so viele Möglichkeiten Kinder zu beteiligen: Sie können entscheiden welche Windel sie möchten „Möchtest du die Windel mit dem Fusch oder mit dem Bagger?“; Sie können entscheiden, ob sie im Stehen oder Liegen gewickelt werden, ob sie vorher noch probieren möchten auf die Toilette oder den Topf zu gehen, ob sie links oder rechts auf die Wickelkommode wollen, weil sie rechts vielleicht geschützter liegen, ob das Mobile bewegt werden soll usw. Beim Wickeln wird der Dialog weitergeführt und dem Kind genau handlungsbegleitend beschrieben, was passiert. Der Säugling oder das Kleinkind erfährt so Einschätz- und Vorhersehbarkeit. Es gibt sogar Einrichtungen, in denen über dem Wickeltisch ein Spiegel hängt, in dem sich die Kinder sehen können.
Bereits sehr junge Kinder können Entscheidungen treffen, die ihrem aktuellen Bedürfnis entsprechen. Sie können die Signale ihres Körpers wahrnehmen, wie beispielsweise ob sie Hunger haben, müde sind, ihnen etwas weh tut, oder ob sie zur Toilette müssen. In den meisten Fällen wird diese Entscheidung und Wahrnehmung jedoch von Erwachsenen beurteilt, angezweifelt oder beeinflusst. „Den Rest schaffst du auch noch aufzuessen.“ „Alle gehen nochmal zur Toilette, bevor wir rausgehen“. „Alle müssen sich hinlegen und ausruhen.“ Es ist wichtig sich den Kindern mit einer fragenden und nicht festlegenden Haltung zu begegnen, so kann das Kind sein Bedürfnis selbst lernen zu erspüren.
Bei etwas älteren Kindern im Ü3 Bereich kann man immer mehr Beteiligungsmöglichkeiten eröffnen. Hier bietet sich an, den Gesprächskreis und den Tagesplan durch die Kinder moderieren zu lassen und in diesen auch Abstimmungensmomente mit einfließen zu lassen: bspw. welche 2 Räume bleiben heute Vormittag geöffnet, damit die Kinder, die nicht mehr draußen sein möchten, auch drinnen spielen können. Auch hier bietet sich immer eine Visualisiertung an. Für jeden Raum kann es eine Symbolkarten geben und jedes Kind stimmt mit einem Muggelstein, der auf das jeweilige Bild gelegt wird, ab.
In der Kita, in der ich gearbeitet habe, entstand eine weitere schöne Idee: Hier gibt es Toilettenkarten. Wenn die Kinder im Garten sind und zur Toilette müssen, holen sie sich eine Toilettenkarte und geben sie der Erzieherin, die nach einer gewissen Zeit, zu ihnen kommen soll, um ihnen ggf. auf der Toilette zu helfen. So bleibt kein Kind unnötig lange allein im Bad sitzen, um auf Hilfe zu warten. Eines der Kinder übernimmt morgens die Aufgabe als Toilettenkartenbeauftragter und stellt sorgt dafür, dass die Karten mit rausgenommen werden und an ihrem entsprechenden Platz zu finden sind.
Partizipation beim Frühstück
An dieser Stelle möchte ich gerne zwei Beispiele aus der Praxis, die ich beobachtet dürfte, beschreiben. Ich war letztens in einer Krippe und hospitierte beim Frühstück.
Es gab eine große Tafel, an der die 8 Kinder (zw. 2 & 3 Jahre.) und 2 Erzieherinnen, auf ihren festgelegten Plätzen saßen, nachdem sie sich selber ihr Plastikgeschirr geholt hatten.
Es gab einen kleinen Nebentisch auf dem zwei große Teller mit belegten Broten (4 verschiedene Sorten) standen. Die Kinder konnten aufstehen und sich von den Tellern etwas auswählen. Einem sehr jungen Kind und einem größeren Mädchen, das nicht deutsch spricht, wurden Brote auf die Teller gelegt, mit den Worten: „Ich glaube, dass isst du gerne“ bzw. „Du bekommst Schmierkäse, Salami darfst du ja eh nicht.“ Ihre Becher wurden ohne zu fragen, mit Wasser gefüllt. Die anderen Kinder konnten zwischen Wasser und Tee wählen. Während des gesamten Essens waren kaum von den Kindern ausgehende Dialoge zu hören. Sie reagierten nur auf Ansprache der Erzieherinnen, wenn diese fragten, ob die Kinder nochmal aufstehen möchten, um sich etwas zu essen zu holen. Es war sehr ruhig beim Essen.
Dann stand eine Erzieherin auf: „So, ich sehe ihr seid fertig, dann gehen wir jetzt ins Bad“ Alle Kinder standen auf und gingen mit der Erzieherin ins Bad, während die andere den Tisch abräumteund abwischte, kamen die ersten fertigen Kinderschon zurück aus dem Bad und bewegten sich voller Erwartung und etwas orientierungslos durch den Raum bis der von der Erzieherin vorbereitete Gesprächskreis begann…
Das zweite Beispiel kommt aus einem Krippenbereich derselben Altersgruppe, in einer anderen Kita. Es sind 10 altersgemischte Kinder zum Frühstück mit 2 Erzieherinnen da. In der Mitte des Tisches stehen 2-3 Brotkörbe mit mindestens 2 Brotsorten. Es gibt 2 Teller mit kleinen Butterstückchen, sowie mehrere Teller mit Geflügelwurst oder Geflügelsalami -Käse – und und geschnittenes Ei. In der Mitte stehen zwei Behälter mit Besteck: Messer/ Löffel und Gabel.
Die Kinder die essen möchten, kommen in den Raum, holen ihre Porzellanteller und dazugehörigen Tassen und wählen ihren Sitzplatz aus. Das Kind, das nicht essen möchte, ist geöffneten Nebenraum und schaut sich ein Buch an.
Sobald alle sitzen, wird der Brotkorb von Kind zu Kind gereicht und jeder wählt sein Brot. Da es zwei Körbe gibt, müssen sie auch nicht lange warten. Jedes Kind nimmt sich, was es braucht, um sein Essen zu zubereiten und zu essen. Die Kinder fragen sich immer wieder gegenseitig „Kannst du mir die Butter geben?“ „Ich möchte danach auch Wurst“ und es kommen kleine Dialoge zu Stande, während die Kinder ihre Brotealleine schmieren. Ein Kind bittet um Hilfe und wird beim schmieren der Butter leicht von der Erzieherin unterstützt, dann legt es freudig seine Scheibe Wurst auf das Brot. Die Kinder gießensich selber ihre Getränke ein. Das Kind, das kleckert steht auf und holt sich einen Lappen. Ein Kind, das feststellt, dass die Kanne leer ist, seht auf und füllt sie am Kanister wieder auf.
Wer fertig ist, darf aufstehen und abräumen, Händewaschen und dann im Nebenraum spielen. Eine Kollegin geht nun mit zu den fertigen Kindern, die andere bleibt bei den Kindern, die noch weiter essen möchten. Die letzten beiden Kinder möchten auch noch den Tisch abwischen. Es gibt einen Wassereimer in dem 4 kleine Lappen sind, so könnten sich auch noch mehr Kinder beteiligen, da das Abwischen sehr beliebt ist.
Zwei Frühstückssituationen, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Beide Frühstückssituationen haben eine halbe Stunde gedauert. Das 1. Beispiel würde die Kita sicher selber als partizipativ beschreiben- schließlich können die Kinder, die nach Einschätzung der Erzieherinnen wählen können, auch auswählen. Und gleichzeitig zeigt dieses Beispiel, dass einigen Kindern diese Kompetenz abgesprochen wird.
Das zweite Beispiel zeigt jedoch welchen Mehrwert es mit sich bringt, Kinder aktiv im Geschehen zu beteiligen.
Dafür braucht es die Bereitstellung entsprechender Materialien: kleine Kellen,wodurch Kinder gut portionieren können, durchsichtige Kannen mit breitem Schnabel, die auf den kleinen Tassen abgesetzt werden können (Porzellantassen/ Gläser stehen fester als Plaste), verschiedene Essenskomponenten auf Tellern – Absprache mit Küche, (kein Schwein, um kein Kind auszugrenzen). Es braucht am Anfang mehr Zeit, aber führt langfristig zu Kompetenzzuwachs und Selbstständigkeit. Sprachentwicklung wird angeregt.
Die Erzieher:innen müssen dabei wertfrei! „aushalten“, dass die Brote oft nicht ihrem ästhetischen Anspruch entsprechen, rumgeschmiert wird, die Kinder unübliche Essenskomponenten miteinander kombinieren z.B. Wurst und Marmelade und viel mehr im Gespräch miteinander sind- also nicht nach dem alten Anspruch: „Beim Essen sprechen wir nicht.“ sondern genau das Gegenteil entsteht. Essen wird zum geselligen, dialogischen Miteinander, was oft zu viel Lachen und Fröhlichkeit führt. Wer sich darauf einlässt, kann mit den Kindern auf Augenhöhe den Moment genießen, sie viel besser kennenlernen, ihn einen neuen Selbsterfahrungs- und Bildungsraum eröffnen und sich am Miteinander erfreuen.