Behindertentestament

Behindertentestament

Warum sich Eltern von pflegebedürftigen Kindern bereits früh um ihr Testament kümmern sollten

 

WICHTG: Die auf dieser Website bereitgestellten Informationen stellen keine Rechtsberatung dar und sollen keine rechtlichen Fragen oder Probleme behandeln, die im individuellen Fall auftreten können. Die Informationen auf dieser Website sind allgemeiner Natur und dienen ausschließlich zu Informationszwecken. Wenn Sie rechtlichen Rat für Ihre individuelle Situation benötigen, sollten Sie den Rat von einem qualifizierten Anwalt einholen.

Ein Behindertentestament ist eine besondere Form des Testaments, das dazu dient, das Erbe für ein Kind oder einen Angehörigen mit Behinderung so zu gestalten, dass es nicht auf staatliche Sozialleistungen angerechnet wird.

 

Warum ist das relevant

Das Sozialhilferecht wird im Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) geregelt. Leistungen der Sozialhilfe sind bspw. Hilfe zum Lebensunterhalt, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die Hilfe zur Pflege und die Eingliederungshilfe für  Menschen mit Behinderung.

Der für das Vererben wichtige Punkt, ist der Punkt 1.2. der sogenannte Nachranggrundsatz, welcher besagt, dass derjenige keine Sozialhilfe, bekommt:

  • "... wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (...)" 

 

Was passiert

Menschen mit Behinderung habe in diesem Fall keinen Anspruch mehr auf Sozialhilfe, da sie ihren Bedarf durch eigenes Einkommen und Vermögen selbst bestreiten können. Dies gilt auch für Geld- und Vermögenswerte wie Grundstück, das einem Sozialhilfeempfänger aus einer Erbschaft zufließen würde. Die Ansprüche aus der Sozialhilfe gehen verloren und der Hilfebedürftige, wird zum Selbstzahler SGB XII § 90 Einzusetzendes Vermögen

Der Zustand bleibt so lange erhalten, bis das Schonvermögen (10.000€ / Stand 12/2024) erreicht ist und nicht weiter abgeschmolzen werden darf 

BSHG §88 Abs2 DV 1988 (§1 Abs. Punkt 1

Das Ganze gilt rückwirkend für alle erhaltenen Leistungen der Sozialträge für der letzen 10 Jahre (§ 528 BGB).

 

Beispiel

Eine Familien mit zwei Kindern, das Erstgeborene hat eine Behinderung. Es existiert ein Grundstück welches mit einen Haus bebaut ist, im Wert von 200.000€. Für alle weiteren Vermögenswerte, trifft das Beispiel gleichermaßen zu, wir bleiben hier der Einfachheit halber, aber nur bei dem Grundstück.

Kommt es nun zu einem Erbfall ohne besondere Erbreglung, weil einer der Eltern verstirbt, erben beide Kinder automatisch je 25% des Vermögens des verstorbenen Elternteils. Damit einher geht dann auch ein Grundstück oder eine Immobilie. Damit erbt jedes Kind 25% des Grundstückes. Um den Fall einfach zu halten, bleiben wir bei dem Stand und gehen jetzt davon aus, dass das Kind mit der Behinderung18 Jahre alt wird. 

Ab dem 18ten Lebensjahr wird das Kind mit der Behinderung aufgrund des Alters, des verbliebenen Elternteils in einer bedarfsgerechten Pflegeeinrichtung betreut. Das Alter des Kindes ist hier fiktiv, es könnte jedes Alter sein, nur eben muss es laut Gesetz ein "Erwachsener" sein, also mindestens 18 Jahre.

In diesem Fall kann und/oder wird der Sozialträger das Vermögen abzgl. des Schonvermögen (§1 Abs. Punkt 1) prüfen. 

Übersteigt das Vermögen des Empfängers das Schonvermögen, kann und/oder wird der Sozialträger die Leistung verweigern, da das Kind selbst über Mittel verfügt, um für seine finanziellen Bedürfniss selbst aufzukommen.

In unserem Fall bedeutet dies: Ihr Kind kann 10.000€ aus der Erbmasse behalten, aber das Grundstück "gehört" jetzt zu ca. 25% dem Sozialträger. 

 

Geschwister

Für das Geschwisterkind und/oder auch dem hinterbliebenen Ehepartner bedeutet dies, dass wenn Sie das Grundstück behalten möchten:

  • den Anteil des Erstgebohren auszahlen, um das Grundstück behalten zu können oder
  • das Grundstück verkaufen, um die Forderung des Sozialträgers (eigene finanzielle Mittel nutzen) gegenüber dem Erstgebohren, erfüllen zu können.
  • Alternativ ist auch die Aufnahme eines Kredit möglich, 

um den Erstgebohren auszahlen zu können, damit dieses der Forderung des Sozialträgers nachkommen kann und das alle anderen Erben das Grundstück behalten können. Abhängig ist dies wiederum, von der Größe des Hauses oder der Wohnung (1 Person: 45- 50 m², variieren je nach Kreis und Kommune um wenige Quadratmeter.)

Diese Reglung ist nachvollziehbar, da auch die Sozialträger ernorme Kosten haben und deren verfügbare Mittel, bei eigenen Vermögen natürlich im Interesse der Allgmeinheit zu schützen sind und erhalten werden muss.

Dennoch führt es aufgrund der Behinderung des Erstgeborenen dazu, dass dieser nicht in seiner gewohnten Weise seinen Leben weiterleben kann und auf das Niveau eines Sozialhilfeempängers rutscht. Auch bedeutet dies vor allem für das Geschwisterkind, dass es zusätzliche finanzielle Verpflichtungen (Kredit) eingehen muss, um den eigenen Lebenstandart erhalten zu können. Verstirbt nun noch der verbliebene Elternteil potenziert sich das Ganze noch einmal.

Als ob es für die Familie und das Geschwisterkind nicht schon schwer genug ist, fühlt es sich so an, als würde das Geschwisterkind benachteiligt werden, da sein:e Bruder/Schwester eine Behinderung hat. 

 

Was ist zu tun

Lasst euch in jedem Fall von einem spezialiserten Rechtsanwalt oder Notar zu diesem Thema beraten. Es gibt von diesen häufig Checklisten, mit denen ihr euch auf die Gespräche vorbereiten könnt. Die Gespräche sind kostenpflichtig. Die meisten verrechnen diese Kosten dann bei Erstellung des Testaments.

Die genauen Kosten sind abhängig von der Höhe der Erbmasse, auch dazu lasst euch bitte von einem spezialiserten Rechtsanwalt oder Notar beraten. Die Kosten werden in dem Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG geregelt. Diese liegen bei ein paar tausend Euro, eine guten Übersicht finder hier bei der Sparkasse (Beurkundung gemeinschaftliches Testament/Erbvertrag) dennoch lässt sich sagen, das ist eine Investition, die man sich leisten sollte.

 

Checkliste

Viele Rechtsanwälte oder Notare haben exra Checklisten, mit denen ihr euch an den ganzen Frage langhangeln könnt. Ich habe mir selbst eine solche Checkliste mit der des Leitfaden des Bundesverband für Körper- und mehrfachbehinderte Menschen erstellt. 

 

1. Todesfall

  •  Wer erbt mit welcher Quote, dabei Einsetzung des behinderten Menschen als Erben mindestens mit einer Quote etwas über dem gesetzlichen

    Pflichtteil (Erklärung)

  • Mensch mit Behinderung wird zum Vorerben, Entscheidung ob unbefreit, befreit oder teilweise befreit (Erklärung)

  • Benennung eines oder mehrerer Nacherben und evtl. Ersatznacherben (Erklärung)

  • etwaige Teilungsanordnungen (z.B. zugunsten des längerlebenden Ehegatten bei Vererben von selbstgenutzter Immobilie)

  • lebenslange Dauertestamentsvollstreckung für die Vorerbschaft, Benennung eines Testamentsvollstreckers und ggf. Ersatztestamentsvollstreckers

  • Verwaltungsanordnung für den Testamentsvollstrecker (Hilfe)

  • Regelung zur Vergütung für den Testamentsvollstrecker nach § 2221 BGB (Erklärung

  • Etwaige Regelung zu bedingtem Vorvermächtnis (falls Pflichtteilsergänzungsansprüche zugunsten des  Menschen mit Behinderung bestehen sollten)

  • Etwaige Regelungen zu Vermächtnissen

 

2. Todesfall

  •  Wer erbt mit welcher Quote, dabei Einsetzung des behinderten Menschen als Erben mindestens mit einer Quote etwas über dem gesetzlichen

    Pflichtteil (Erklärung)

  • Mensch mit Behinderung wird zum Vorerben, Entscheidung ob unbefreit, befreit oder teilweise befreit (Erklärung)

  • Benennung eines oder mehrerer Nacherben und evtl. Ersatznacherben (Erklärung)

  • etwaige Teilungsanordnungen (z.B. zugunsten einzelner Erben bei Vererben von selbstgenutzter Immobilie)

  • lebenslange Dauertestamentsvollstreckung für die Vorerbschaft, Benennung eines Testamentsvollstreckers und ggf. Ersatztestamentsvollstrecker

  • Verwaltungsanordnung für den Testamentsvollstrecker (Hilfe)

  • Regelung zur Vergütung für den Testamentsvollstrecker nach § 2221 BGB (Erklärung

  • Etwaige Regelung zu bedingtem Vorvermächtnis (falls Pflichtteilsergänzungsansprüche zugunsten des Menschen mit Behinderung bestehen sollten)
  • Etwaige Regelungen zu Vermächtnissen
  • Regelungen zu einer etwaigen Vormundschaft oder gesetzlichen Betreuung
  • Regelungen zur Wechselbezüglichkeit

 

Benötigt werden darüber hinaus

für alle beteiligten Personen folgende Angaben: Name, Geburtsname, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, aktuelle Anschrift

 

Für Erblasser:

  • Datum und Standesamt der Eheschließung
  • Angabe zu Güterstand der Erblasser
  • weitere Abkömmlinge
  • Angabe zu früheren Testamenten oder Erbverträgen
  • Angabe, ob ausländisches Vermögen
  • Beteiligungen an Personen- oder Kapitalgesellschaften vorhanden
  • Angaben zum aktuellen Verkehrswert des vorhandenen Vermögens sowie der Verbindlichkeiten

 

Weiterführende Infos und Experten sowie verwendete Quellen

Die Experte zu dem Thema findet ihr mit Sicherheit beim Bundesverband für Körper- und mehrfachbehinderte Menschen. Dort gibt es einen Leitfaden, an dem man sich sehr gut orientieren kann und sich für das Gesrpäch mit Anwalt oder Notar vorbereiten kann.

Hilfreich fand ich auch die Seiten der Lebenshilfe, die damals extra Infoveranstaltungen zu dem Thema "Behindertentestament" gemacht haben.

Einen guten Artikel dazu gibt es bei Stiftung Warentest.

 

Ich wünsche Euch viel Kraft dafür, es ist wichtig!

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